Quartett

Schauspiel von Heiner Müller
ID# Eke0611
Verlag henschel SCHAUSPIEL Theaterverlag Berlin GmbH
D-10997 Berlin, Lausitzer Platz 15
Akte 1
Dekorationen 1
Männer 1
Frauen 1
Kinder
Personen 2
"Valmont. Ich glaubte ihre Leidenschaft für mich erloschen. Woher dieses
plötzliche Wiederaufflammen. Und mit so jugendlicher Gewalt. Zu spät
allerdings. Sie werden mein Herz nicht mehr entzünden. Nicht noch
einmal. Nie mehr. Ich sage es Ihnen nicht ohne Bedauern, Valmont.
Immerhin gab es Minuten, vielleicht sollte ich sagen Augenblicke, eine
Minute, das ist eine Ewigkeit, wo ich dank ihrer Gesellschaft glücklich
war. Ich rede von mir, Valmont. Was weiß ich von Ihren Empfindungen. Und
vielleicht sollte ich besser von Minuten reden, in denen ich Sie dazu
brauchen konnte, Sie, das war ihre Fähigkeit im Umgang mit meiner
Physiologie, etwas zu empfinden, das mir in der Erinnerung als ein
Glücksgefühl erscheint. Sie haben nicht vergessen, wie man umgeht mit
dieser Maschine."
Heiner Müllers "Quartett" basiert auf Choderlos de Laclos auch mehrfach
verfilmten Briefroman "Gefährliche Liebschaften", einem sarkastischen
Abgesang aufs dekadent gewordene "ancien Regime", erschienen unmittelbar
vor der französischen Revolution. Der große ostdeutsche Dramatiker geht
allerdings weit über eine Nacherzählung der Vorgänge hinaus; so
selbstverständlich wie unerwartet tauschen seine Figuren Rolle und
Geschlecht. Aus Laclos nachtschwarzem Reigen der Begierden und
Perversionen formt Müller das grotesk zugespitzte Endspiel einer Klasse,
die im Begriff ist, sich selber abzuschaffen.
Heiner Müller (1929-1995) war neben Peter Hacks der wichtigste
ostdeutsche Dramatiker und einer der wesentlichsten Autoren der letzten
Jahrhunderthälfte. Seine zunächst klassizistischen, später provozierend
fragmentarischen Texte finden gerade in jüngster Zeit wieder starke
Beachtung.